Ressentiment – von unserem Kolumnisten Jürgen Schwab

Holger Winterstein von der AfD Thüringen hatte unlängst körperlich präsent über das Holocaust-Mahnmal in Berlin über die jüdischen Opfer triumphiert, und dies auch noch vorübergehend auf seinem Facebook-Account dokumentiert. Zionisten und deutsche Philosemiten sind außer sich, die AfD-Führungen distanziert sich. Ressentiments gegenüber Juden gibt es im deutschen Volk heute zuhauf. Und nicht nur bei arabischen Migranten, die frommen Juden die Kippa vom Kopf schlagen.
In meinem Buch über den jüdischen Schriftsteller Jakob Wassermann habe ich mich neben literaturwissenschaftlichen Ausführungen auch politisch über gegenwärtige deutsche Philosemiten in deutlicher Weise geäußert. Einem von denen, Redakteur einer linksliberalen Zeitung, hat mein Buch überhaupt nicht gefallen, wie er mir mitteilte. Zumal er auch seit Jahrzehnten seine journalistische Karriere unter anderem mittels Philosemitismus betreibt. 
Während deutsche Philosemiten ihre Minderwertigkeitskomplexe gegenüber Juden dadurch zum Ausdruck bringen, indem sie zionistischen Funktionären genau das sagen, was diese hören möchten, ist es in dem politischen Lager, dem ich seit 35 Jahren selbst angehöre, der deutschen Rechten, oftmals spiegelverkehrt. Man gönnt „den“ Juden nicht, sich aufgrund ihres Opferstatus, den manche qualitativ und quantitativ auch bezweifeln, „überheblich“ zu zeigen. Ignaz Bubis meinte einmal als Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, daß die Deutschen den Juden Auschwitz nicht verzeihen könnten. Man merkt dieser Aussage an, daß sich der jüdische Witz auch sehr sarkastisch in Bezug auf eigenes Leid äußern kann. 
Winterstein hat sich in Berlin sehr dumm und geschmacklos gebärdet. Der einzige, der in der Öffentlichkeit versucht, ihn – als Hermeneutiker – zu verstehen, bin wahrscheinlich ich. Die ihm uneingeschränkt recht geben, werden sich aufgrund des Strafrechts hüten, dies kundzutun. Um was es mir geht, ist einen Diskurs anzustoßen zwischen souveränen Deutschen und souveränen Juden auf gleicher Augenhöhe. Genau dazu soll auch mein Buch über Jakob Wassermann einen Beitrag leisten. Während sich AfD-Politiker und manche „Neue Rechte“ in Schnellroda vorschnell aus einer möglichen Debatte verabschieden. In „Sezession“ wurde die „Judenfrage“, die ich nebenbei in meinem Wassermann-Buch aufgreife, als „absurd“ bezeichnet. So als ob ich der einzige wäre, der sich damit befaßt. Götz Kubitschek, den ich nicht nur auf „Wikipedia“ flüchtig kenne, meinte, dort nachzulesen, 2010 in seiner „Sezession“: „Möchte man ein Jude sein, heutzutage, ein Broder etwa, der ausstoßen darf, was er will, weil er weiß, daß ihm niemand kann? Vielleicht, manchmal.“ 
Also auch in Schnellroda ist die „Judenfrage“ virulent; taktisch-strategische Gründe mögen dafür sprechen, die Position von 2010 versanden zu lassen. Dieses Thema kommt aber für die deutsche Rechte, wenn sie sich vor allem auf den genetischen Volksbegriff stützt, immer wieder als moralisierender Bumerang zurück. Mit Maulkörben ist dies alleine nicht zu lösen.
Jürgen Schwab 
Zum Autor:
Jürgen Schwab, geboren 1967 in Miltenberg/Main, gelernter Bürokaufmann, Diplom-Germanist und parteiloser Publizist, studierte deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft, Kommunikations- und Politikwissenschaft an der Universität Bamberg. Aus seiner Feder stammen die Bücher: „Die Meinungsdiktatur – wie  ‚demokratische’ Zensoren die Freiheit beschneiden“ (Coburg 1997), „Deutsche Bausteine – Grundlagen nationaler Politik“ (Stuttgart 1999), „Volksstaat statt Weltherrschaft“ (Tübingen 2002), „Die Westliche Wertegemeinschaft“ (Tübingen 2007), „Angriff der neuen Linken – Herausforderung für die nationale Rechte“ (Tübingen 2009), „Die Manipulation des Völkerrechts – wie die ‚Westliche Wertegemeinschaft‛ mit Völkermordvorwürfen Imperialismus betreibt“ (Mengerskirchen 2011), „Flucht in die Menschheit. Der Schriftsteller Jakob Wassermann und der Typus des nichtjüdischen Juden“ (Neustadt an der Orla 2020), „Zukunft Deutsch. Möglichkeiten nationaler Politik im 21. Jahrhundert“ (Dortmund 2021) sowie „Gemeinschaft und Gesellschaft bei Martin Walser. Eine Werkanalyse“ (Neustadt an der Orla, 2022). Er ist Mitherausgeber von „1848 – Erbe und Auftrag“ (Graz 1998). Schwab ist Mitinitiator der Bildungsinitiative „Deutsche Akademie (DA)“ und des Netzwerkes „Sache des Volkes (SdV)“.
Die Rechte und ihre Positionierung zum Judentum (Bildquelle: Diana Polekhina / unsplash.com)

Die AfD und der Philosemistimus

Holger Winterstein von der AfD Thüringen hatte unlängst körperlich präsent über das Holocaust-Mahnmal in Berlin über die jüdischen Opfer triumphiert, und dies auch noch vorübergehend auf seinem Facebook-Account dokumentiert. Zionisten und deutsche Philosemiten sind außer sich, die AfD-Führungen distanziert sich. Ressentiments gegenüber Juden gibt es im deutschen Volk heute zuhauf. Und nicht nur bei arabischen Migranten, die frommen Juden die Kippa vom Kopf schlagen.

Lukrativer Philosemitismus

In meinem Buch über den jüdischen Schriftsteller Jakob Wassermann habe ich mich neben literaturwissenschaftlichen Ausführungen auch politisch über gegenwärtige deutsche Philosemiten in deutlicher Weise geäußert. Einem von denen, Redakteur einer linksliberalen Zeitung, hat mein Buch überhaupt nicht gefallen, wie er mir mitteilte. Zumal er auch seit Jahrzehnten seine journalistische Karriere unter anderem mittels Philosemitismus betreibt.

Rechter Antisemitismus

Während deutsche Philosemiten ihre Minderwertigkeitskomplexe gegenüber Juden dadurch zum Ausdruck bringen, indem sie zionistischen Funktionären genau das sagen, was diese hören möchten, ist es in dem politischen Lager, dem ich seit 35 Jahren selbst angehöre, der deutschen Rechten, oftmals spiegelverkehrt. Man gönnt „den“ Juden nicht, sich aufgrund ihres Opferstatus, den manche qualitativ und quantitativ auch bezweifeln, „überheblich“ zu zeigen. Ignaz Bubis meinte einmal als Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, daß die Deutschen den Juden Auschwitz nicht verzeihen könnten. Man merkt dieser Aussage an, daß sich der jüdische Witz auch sehr sarkastisch in Bezug auf eigenes Leid äußern kann.

Neue Rechte und der Antisemitismus

Winterstein hat sich in Berlin sehr dumm und geschmacklos gebärdet. Der einzige, der in der Öffentlichkeit versucht, ihn – als Hermeneutiker – zu verstehen, bin wahrscheinlich ich. Die ihm uneingeschränkt recht geben, werden sich aufgrund des Strafrechts hüten, dies kundzutun. Um was es mir geht, ist einen Diskurs anzustoßen zwischen souveränen Deutschen und souveränen Juden auf gleicher Augenhöhe. Genau dazu soll auch mein Buch über Jakob Wassermann einen Beitrag leisten. Während sich AfD-Politiker und manche „Neue Rechte“ in Schnellroda vorschnell aus einer möglichen Debatte verabschieden. In „Sezession“ wurde die „Judenfrage“, die ich nebenbei in meinem Wassermann-Buch aufgreife, als „absurd“ bezeichnet. So als ob ich der einzige wäre, der sich damit befaßt. Götz Kubitschek, den ich nicht nur auf „Wikipedia“ flüchtig kenne, meinte, dort nachzulesen, 2010 in seiner „Sezession“: „Möchte man ein Jude sein, heutzutage, ein Broder etwa, der ausstoßen darf, was er will, weil er weiß, daß ihm niemand kann? Vielleicht, manchmal.“

Also auch in Schnellroda ist die „Judenfrage“ virulent; taktisch-strategische Gründe mögen dafür sprechen, die Position von 2010 versanden zu lassen. Dieses Thema kommt aber für die deutsche Rechte, wenn sie sich vor allem auf den genetischen Volksbegriff stützt, immer wieder als moralisierender Bumerang zurück. Mit Maulkörben ist dies alleine nicht zu lösen.

Jürgen Schwab

Zum Autor:

Jürgen Schwab, geboren 1967 in Miltenberg/Main, gelernter Bürokaufmann, Diplom-Germanist und parteiloser Publizist, studierte deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft, Kommunikations- und Politikwissenschaft an der Universität Bamberg. Aus seiner Feder stammen die Bücher: „Die Meinungsdiktatur – wie  ‚demokratische’ Zensoren die Freiheit beschneiden“ (Coburg 1997), „Deutsche Bausteine – Grundlagen nationaler Politik“ (Stuttgart 1999), „Volksstaat statt Weltherrschaft“ (Tübingen 2002), „Die Westliche Wertegemeinschaft“ (Tübingen 2007), „Angriff der neuen Linken – Herausforderung für die nationale Rechte“ (Tübingen 2009), „Die Manipulation des Völkerrechts – wie die ‚Westliche Wertegemeinschaft‛ mit Völkermordvorwürfen Imperialismus betreibt“ (Mengerskirchen 2011), „Flucht in die Menschheit. Der Schriftsteller Jakob Wassermann und der Typus des nichtjüdischen Juden“ (Neustadt an der Orla 2020), „Zukunft Deutsch. Möglichkeiten nationaler Politik im 21. Jahrhundert“ (Dortmund 2021) sowie „Gemeinschaft und Gesellschaft bei Martin Walser. Eine Werkanalyse“ (Neustadt an der Orla, 2022). Er ist Mitherausgeber von „1848 – Erbe und Auftrag“ (Graz 1998). Schwab ist Mitinitiator der Bildungsinitiative „Deutsche Akademie (DA)“ und des Netzwerkes „Sache des Volkes (SdV)“.