Vorbemerkung
Am Anfang des 20ten Jahrhunderts standen die Zeichen in Europa auf Sturm. Die Großmächte Deutschland und Österreich-Ungarn auf der einen sowie Frankreich, England und Russland auf der anderen Seite belauerten sich voller Misstrauen und bereiteten sich auf einen Krieg vor, der dann 1914 bittere Realität wurde und den unser Kontinent bis heute nicht verarbeitet hat. Heutige „Zeitgeisthistoriker“ haben den Schuldigen daran natürlich klar im Blick, Deutschland und sein „böser, kriegshetzender Kaiser Wilhelm der II“.
Die Wahrheit sieht allerdings etwas anders aus!
Um hier auf eine verständliche Art und Weise in die Thematik einzusteigen, müssen wir uns zunächst einmal die damaligen Bündnisse etwas genauer ansehen.
Bismarcks Bündnissystem
Seit 1893 waren Frankreich und das russische Zarenreich miteinander verbündet. Dieses Bündnis war als ein Defensivbündnis gegen Deutschland gedacht, hatte aber auch eine klare Offensivoption.
Die Schuld daran, dass die einstmals so hervorragenden Beziehungen zwischen Deutschland und Russland in den Keller gerutscht waren, hatten vor allem Bismarcks Nachfolger und die sogenannten „Volksvertreter“ im Reichstag gehabt (vor allem die Linken und die Liberalen). Das Kernstück der vertraglichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland war der von Bismarck initiierte Rückversicherungsvertrag. Dieser war ein Meilenstein in der legendären Bismarck’schen Bündnispolitik gewesen; der Vertrag verpflichtete beide Seiten zur wohlwollenden Neutralität im Falle eines Angriffskrieges Österreichs gegen Russland oder Frankreichs gegen Deutschland. In einem geheimen Zusatzprotokoll zum Vertrag versicherte Deutschland dem russischen Reich seine moralische und diplomatische Unterstützung, falls Russland gegen Dritte dazu gezwungen werden sollte, die Meerenge zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer freizukämpfen. Also falls man versuchen würde, die Dardanellen zu kontrollieren, um die Russen im Schwarzen Meer einzusperren. Es ging dabei nicht um eine Annektierung türkischen Gebietes, aber es ging darum die Freiheit der Seewege durch türkisches Gebiet zu garantieren.
Dieser Vertrag war gewissermaßen auch das Kernstück der damaligen europäischen Friedensordnung gewesen. Unter den Bedingungen dieses Vertrages hätte Frankreich im Falle eines Angriffes auf Deutschland alleine dagestanden und auf der anderen Seite verhinderte dieser Vertrag, dass das mit Deutschland verbündete Österreich auf dem Balkan weiterhin unter den slawisch/ostgermanischen Völkern auf Beutejagd ging, weil dieses dann allein gegen Russland gestanden hätte (was natürlich zwangsläufig die Österreicher zu einer friedfertigeren Politik gegenüber den Balkanvölkern veranlasste).
An Österreichs Hang sich auf dem Balkan – auf Kosten der dortigen Völker – weiter auszubreiten, war nämlich 1885 bereits das alte Dreikaiserbündnis zwischen Russland, Österreich und Deutschland gescheitert (Annexion des gerade erst von den Türken befreiten Bosnien-Herzegowina). Mit diesem Vertrag also wurde hier den Machtbestrebungen der Donaumonarchie eindeutig ein Riegel vorgeschoben. Sollten aber die Russen die Österreicher angreifen, hätte Deutschland alle Optionen offen gehabt.
Im Falle der Sperrung des Bosporus bzw. der Dardanellen durch die Franzosen oder die Engländer für die russische Seefahrt, beide hierbei mit Österreich-Ungarn im Bunde, das hier – ohne Rücksicht auf den deutschen Partner – seine eigene Interessen verfolgte (eben die Hegemonie auf dem Balkan), hätte dies bedeutet, dass Österreich den Russen freien Zugang zum Mittelmeer zugestehen musste, wenn es nicht das für seine Existenz lebenswichtige Bündnis mit dem Deutschen Reich gefährden wollte. Das aber wiederum machte es für die Engländer wie für die Franzosen zu einem Risiko, am Bosporus aktiv zu werden, da hier dann ein Bündnis Österreichs mit Russland und Deutschland drohte und sie gegen drei überlegene Landmächte alleine dagestanden hätten!
Hiermit sind wir ganz klar beim wesentlichen Punkt der Bismarck’schen Bündnispolitik angekommen.
Diese war immer darum bestrebt, den vertragsführenden Parteien ihren Bestand zu garantieren, auch gegen die expansiven Interessen anderer Vertragspartner. Das gesamte Bismarck’sche Bündnissystem war im Grunde darauf ausgelegt, alle vertragsführenden Seiten zum Frieden zu zwingen. Da bei diesem System der jeweilige Partner immer auch als Holzhammer gegen den nächsten Partner diente, falls dieser über die Stränge schlagen würde, funktionierte das System ausgezeichnet, solange Bismarck selber die Kontrolle darüber hatte. Die meisten europäischen Länder der damaligen Zeit wiederum akzeptierten in diesem System auch widerspruchslos die leitende Rolle Deutschlands. Da dieses als einziges Land in Europa zu diesem Zeitpunkt keinerlei territoriale Interessen hatte, galt es als glaubwürdiger Neutraler (Nach der Reichsgründung von 1871 hatte Bismarck in einer rechtlich bindenden Regierungserklärung Deutschland zu einem statuierten, also territorial vollendeten, Staat erklärt).
Mit diesem politischen Bündnissystem machte Deutschland sich natürlich bei den Engländern und den Franzosen keine Freunde. Beide Mächte waren sowohl aggressive wie auch expansive Staaten, die vor allem ihren Kolonialbesitz in Afrika und Asien immer weiter ausbauten.
Vor allem die Engländer mussten wegen dieser Politik Deutschlands innerlich wohl ganz schön gekocht haben. Seit Jahrhunderten hatten sie, durchaus mit Erfolg, die Völker Europas politisch gegeneinander ausgespielt und nun kam dieser Bismarck und drehte den Spieß einfach um. Die Franzosen wiederum, die nach Rache für ihre Niederlage von 1871 dürsteten, waren durch dieses System soweit isoliert, dass ein Krieg gegen Deutschland für sie kaum möglich war. Auch im Falle eines Bündnisses mit England nicht, da dessen Landstreitkräfte für einen solchen Krieg, dann auch gegen Österreich und Russland, nicht ausgereicht hätten.
Geheimrat Holstein
Als dieser Vertrag im Jahre 1890 auslief, wollten Reichskanzler Caprivi, der Nachfolger Bismarcks als Regierungschef, und auch Kaiser Wilhelm ihn ursprünglich verlängern (Die Russen selber wollten ihn nicht nur verlängern, sie waren auch bereit als Gegenleistung für die Verlängerung auf das geheime Zusatzprotokoll zu verzichten), doch der geheime Legationsrat im Reichs-Außenministerium, Friederich von Holstein (trotz des Namens war die Sippe Mecklenburger Herkunft), riet händeringend davon ab und vertrat den Standpunkt, dass dies einen von den Deutschen dringend gewünschten Ausgleich mit England gefährden würde, so das Kaiser, Kanzler und Reichstag (!) schließlich auf eine Vertragsverlängerung verzichteten.
Holstein, die treibende Kraft hinter der Ablehnung der Verlängerung und auch bei der Auflösung des ganzen Bismarck’schen Bündnissystems, hatte sich zur grauen Eminenz der deutschen Außenpolitik entwickelt. Er hielt sich selber für einen großen Diplomaten und wollte die deutsche Außenpolitik völlig neu strukturieren, doch selbst als Minister Verantwortung übernehmen, das wollte er nicht. Er träumte von einem großen Bündnis mit England und hatte eine starke Abneigung gegen die Russen. Er bezeichnete sie öffentlich als Deutschlands größte Feinde und als sein größtes Problem, er war sogar so vermessen, seinen Vorgesetzten einen Angriffskrieg gegen Russland zu empfehlen.
Bei seiner negativen Haltung kam ihm zugute, dass die öffentliche Meinung in Deutschland, vor allem bei Bürgertum und Oberschicht, den Russen gegenüber eher negativ eingestellt war. Ebenso war auch die Mehrheit im Reichstag zumeist russlandkritisch eingestellt und sah deshalb keinen besonderen Anlass, dazu den Vertrag zu verlängern. Kaiser Wilhelm, in dessen Umgebung auch Freunde und Vertraute von Holstein saßen (unter anderem der Graf Eulenburg, ein persönlicher Freund des Kaisers – siehe dazu auch die „Eulenburgaffäre“), durchschaute diese Intrigen zunächst nicht, er glaubte auch, dass seine enge persönliche Freundschaft mit dem Zaren, welcher auch sein Vetter war, mehr wert wäre als jeder Vertrag. Zudem glaubte er sich der Haltung Englands, ebenfalls wegen seiner verwandtschaftlichen Beziehungen (die berühmte Königin Victoria war seine geliebte Großmutter, ihr Sohn und Nachfolger Edward sein Onkel), sicher sein zu können.
So nahm das Verhängnis seinen Lauf, der Vertrag wurde nicht verlängert, ein als Ersatz taugliches Bündnis mit England kam nicht zustande, und 1893 geschah das, was Bismarck immer hatte verhindern wollen; die Russen, von den Deutschen zutiefst enttäuscht, schlossen ein Bündnis mit Frankreich und England wurde erneut das ausschlaggebende Element der europäischen Politik.1
Fazit: Deutschland stand urplötzlich außenpolitisch völlig isoliert da.
Englands seltsames Angebot
So langsam merkten die verantwortungsbewussteren deutschen Politiker, was da auf unser Land zurollte. Doch das Hauptproblem dieser, etwas weiterblickenden Politiker war vor allem das eigene Volk. Die politischen Leidenschaften vor allem der Linken und der Liberalen verhinderten immer wieder, dass es zu einer erneuten Annäherung an Russland kam, sie spielten dabei geradezu das Spiel Englands. Dieses ist sich dabei selbst nicht zu schade, im Jahre 1901 dem deutschen Reich sogar ein gegen Russland gerichtetes Abkommen anzubieten. Der Grund dafür war, dass die Engländer mit den Russen zunehmend Interessenkonflikte in Asien hatten (russische Expansion in chinesisches und koreanisches Gebiet und Bedrohung der indischen Nordgrenze) ). Wenn Deutschland auf dieses Bündnis eingegangen wäre, hätte es im fernen Osten für die Briten Kolonialkriege gegen Russland führen müssen, was dann zwangsläufig auch Krieg in Europa bedeutet und gleichzeitig den Bündnisfall zwischen Frankreich und Russland ausgelöst hätte, ohne das England dabei zur Hilfeleistung für Deutschland verpflichtet gewesen wäre!
Auf diese, definitiv ziemlich heimtückische, Leimrute ging das Deutsche Reich den Briten glücklicherweise aber nicht.
Ersatzweise übernahm Japan die Deutschland zugedachte Rolle. Am 30. Januar 1902 unterzeichneten Briten und Japaner einen Bündnisvertrag. Dieser führte dann im Jahre 1904 zum Russisch-Japanischen Krieg (die berühmte Seeschlacht von Tsushima). Die Russen schickten nun ihre Ostseeflotte nach Fernost, um dort ihre Verbände zu verstärken. Kaiser Wilhelm versuchte hier die Chance zu nutzen, eine erneute Annäherung an Russland durchzusetzen und erlaubte der russischen Flotte sich in deutschen Bunkerstationen (auch in Übersee) mit Kohle zu versorgen.
Die Entente Cordiale
Zwei Monate nach dem japanischen Angriff auf die russischen Fernostverbände schloss England mit Frankreich ein Bündnis (die Entente Cordiale vom 8.4.1904). England und sein alter Hauptkonkurrent beim Kampf um die koloniale Herrschaft über die dritte Welt, die sich Jahrhundertelang bekämpft hatten, wurden jetzt urplötzlich Partner. Bestandteil der gemeinsamen Absprachen war auch eine Aufteilung der letzten weißen Flecken auf den Landkarten und die klare Vorgabe, Deutschland hierbei weiter zu isolieren.
Die Doppelzüngigkeit der Briten war beispiellos. Erst wollen sie Deutschland dazu verführen, für sie die Kohlen aus dem Feuer zu holen und sich damit gleichzeitig einem europäischen Konflikt auszusetzen, dann – als dies nicht funktionierte – hetzten sie die Japaner in den Krieg gegen Russland. Zu guter Letzt schlossen sie, die Verbündeten Japans, dann ein Bündnis mit Russlands Verbündeten Frankreich, was von letzterem wiederum ein klarer Bündnisbruch gegenüber Russland gewesen war.
Der russische Zar war logischerweise mehr als nur verschnupft, er war schlichtweg stinksauer. Normalerweise wäre dies das Ende des Bündnisses mit Frankreich gewesen, aber unterdessen war der russische Staat (vor allem die völlig verkommene politische Oberschicht) durch die Abhängigkeit von französischen Krediten (Adel und Bürgertum hatten Millionenkredite bei den Franzosen laufen) quasi zum Befehlsempfänger dieses Verbündeten geworden. Russland verliert dann auch noch den Krieg gegen Japan (Friedensvertrag am 29.08.1905) und schlittert damit in eine schwere innenpolitische Krise, die zur Revolution von 1905 führt (die berühmte Geschichte mit dem Aufstand der Besatzung des Panzerkreuzers Potemkin, der mit zu einer der Gründungslegenden des internationalen Kommunismus wurde).
Der Vertrag von Björkö
Kaiser Wilhelm II. versuchte nun, seinen Vetter Nikolaus zum erneuten Abschluss eines Vertrages mit Deutschland zu bewegen.
Am 24.Juli 1905 kam es in der Bucht von Björkö (auf Deutsch Birkeninsel, der Name ist schwedischer Herkunft, das Gebiet aber gehörte ursprünglich zu Finnland. Heute gehört der Ort zum Landkreis um die Stadt St. Petersburg) an Bord des russischen Kreuzers Polarstern zu einem geheimen Treffen zwischen den beiden Monarchen.
Björkö und St. Petersburg um 1900
Nach nur relativ kurzen Verhandlungen, die eindeutig in freundschaftlicher und entspannter Atmosphäre stattfanden, einigten sich die beiden Vettern, im besten Einvernehmen, auf einen Vertragstext der definitiv in der Tradition der alten Bismarck’schen Verträge stand, Verträge die einzig und allein darauf ausgelegt waren, einen Krieg zu verhindern anstatt ihn möglich zu machen.
Der Vertrag war nur sehr kurz, aber dafür sehr präzise, deutlich und klar.
Björkö den 24/VII 1905:
Ihre Majestäten die Kaiser aller Russen und von Deutschland haben, um die Fortdauer des Friedens in Europa zu sichern, die folgenden Artikel eines Vertrages über ein Defensiv-Bündnis festgelegt.
Artikel 1. Falls eines der beiden Kaiserreiche von einer europäischen Macht angegriffen werden sollte, wird sein Verbündeter ihm in Europa mit allen seinen Streitkräften zu Lande und zu Wasser Hilfe leisten.
Artikel 2. Die hohen Vertragsschließenden verpflichten sich, keinen Separatfrieden mit irgendeinem gemeinsamen Gegner zu schließen.
Artikel 3. Der vorliegende Vertrag wird in Kraft treten, sobald der Friede zwischen Russland und Japan geschlossen ist, und in Geltung bleiben, sofern er nicht ein Jahr vorher gekündigt wird.
Artikel 4. Der Kaiser aller Russen wird, nachdem dieser Vertrag in Kraft getreten ist, die notwendigen Schritte tun, um Frankreich in diese Vereinbarung einzuweihen, und es auffordern, ihr als Verbündeter beizutreten.2
Unterschrieben von
Wilhelm I.R.(Imperator Rex = Kaiser und König) von Tschirschky und Bögendorf (deutscher Staatssekretär im Auswärtigen Amt), Nikolaus (russischer Zar) Admiral Birileff (russischer Flottenchef).
Wilhelm der II und Nikolaus der II
Was sagten diese vier Artikel aus?
Würde Russland in Europa von irgendjemandem angegriffen, so hätte Deutschland geholfen.
Würde Deutschland in Europa von irgendjemandem angegriffen, so hätte Russland geholfen.
Der ausdrücklich angeregte spätere Beitritt Frankreichs zu diesem Bündnis hätte den Vertrag dahingehend erweitert.
Auf gut Deutsch gesagt, dieser Vertrag hätte es allen anderen Mächten in Europa nahezu unmöglich gemacht gegen eine der vertragsführenden Parteien einen Krieg anzufangen, dies auch dann, wenn Frankreich nicht beigetreten wäre. Dieser Vertrag wäre damit eine große Chance gewesen, den Frieden in Europa langfristig zu sichern, den ersten Weltkrieg hätte es dann nie gegeben.
Warum aber wurde dieser Vertrag dann nicht in Kraft gesetzt?
Sowohl in Russland als auch in Deutschland verweigerten die Parlamente die Ratifizierung!
Eine große Chance für den Erhalt des Friedens war damit vertan. Die Schuld daran trugen aber nicht die beiden Monarchen (auch nicht der von vielen Historikern gern als Schuldvogel missbrauchte Kaiser Wilhelm der II), Schuld trugen die sogenannten „Volksvertreter“!
In Deutschland tobten vor allem Linke und Liberale, die im russischen Staat eine mittelalterliche Despoten-Herrschaft sahen.
Die Liberalen hielten damals im Reichstag große Kampfreden in denen sie den Russen vor allem die Knechtung Polens und des eigenen Bürgertums vorwarfen. Polen war seit dem Wiener Kongress (1815) eine russische Provinz, es wurde erst nach dem ersten Weltkrieg wieder selbständig und gegen jede Art von Unbotmäßigkeit ging die russische Verwaltung mit großer Härte vor.
Sowohl die deutsche Linke (SPD) wie auch die deutschen Liberalen machten sich international immer wieder zu den Fürsprechern der polnischen Sache. Was diese dann allerdings nicht daran hinderte, nach dem ersten Weltkrieg deutsches Land als Beute einzustecken. Ein großes Problem für die Liberalen war auch die Knechtung des russischen Bürgertums durch die adelige Oberschicht. Dieses war von der politischen Machtausübung weitestgehend ausgeschlossen.
In Russland wiederum tobten sowohl die Mitglieder des Parlamentes (die Duma) und der Regierung als auch die der adeligen Oberschicht, wie schon gesagt, allesamt Leute die bei französischen und englischen Banken hoch verschuldet waren. Hier wurde vor allem schonungslos ein aggressiver slawischer Nationalismus gepredigt. Außenminister Sasonow forderte damals lautstark „Rache am Germanentum“ (Für was? Wir hatten den Russen bis zu diesem Zeitpunkt nie etwas getan).
Die Geschichte dieses verunglückten Vertrages belegt in peinlicher Deutlichkeit, dass der Glaube an die geistige Kapazität der Parlamente durchaus auch ein Irrglaube sein kann. Hier hat der deutsche Reichstag, der nach freiheitlichen und demokratischen Gesichtspunkten gewählt worden war, dem eigenen Volk durch sein Unvermögen, die Realitäten zu erkennen, das Totenhemd gewebt.
Der von den sogenannten Demokraten so oft als Despot verleugnete Kaiser Wilhelm II. wollte den Frieden sichern. Er hatte dabei nicht die Macht dazu, die Volksvertreter zur Vernunft zu bringen, die ihm dann später ihr eigenes Unvermögen in die Schuhe schoben!
In Russland wiederum war die korrupte Oberschicht nicht dazu in der Lage zu erkennen, dass sie durch ihre Abhängigkeit von Frankreich und England ihr eigenes Volk in eine ausweglose Lage manövrierten. Sie legten mit ihrem Verhalten auch bereits den Grundstein für die Oktoberrevolution und damit auch für ihr eigenes, durchaus verdientes Ende – unter den kommunistischen Erschießungskommandos!
Auch hier versuchte man, den Zaren für die Fehler verantwortlich zu machen. Am Ende wurden er und seine Familie dann bekanntermaßen ermordet.
Beide Parlamente, sowohl das Deutsche als auch das Russische, spielten in diesem Konflikt, bewusst oder unbewusst, vor allem das Spiel der beiden Kolonialmächte und des internationalen Großkapitals. Damit deren Streben nach Gewinnmaximierung nicht gestört wurde, mussten fast 18 000 000 Millionen Menschen sterben!
1 Der 1909 verstorbene Holstein wurde in Berlin auf dem Invalidenfriedhof beigesetzt. Die DDR ließ die Grabstätte, später einebnen, nach der Wiedervereinigung ließ die Regierung Merkel sie 2009 wieder erneuern!
2 Der Passus, dass Frankreich in diesen Vertrag mit einbezogen werden sollte, ging vor allem auf Kaiser Wilhelms Initiative zurück. Er suchte nämlich, von heutigen Historikern weitestgehend vergessen oder ignoriert, nach einem politischen Ausgleich mit Frankreich, um die unselige Erbfeindschaft endlich zu beenden. Wäre dieser Vertrag zustande gekommen und hätte Frankreich sich ihm angeschlossen, hätte dies eine Sicherheitsgarantie Deutschlands für Frankreich bedeutet. Alleine an dieser Tatsache sollten alle, die des Denkens noch fähig sind, den absoluten Friedenswillen von Kaiser Wilhelm eigentlich erkennen können.
Quellennachweise:
Internetenzyklopädie Wikipedia (mehrfach)
Björköseite von www.volz-fi.de/bjoerkoe.html
Bündnispolitik Bismarck 1870-1890 geschichtsberein-koengen.de
LEMO Zeitstrahl das Kaiserreich
Deutsche Außenpolitik 1871-1914 Klaus Hildebrand 1993 im Oldenbourg Verklag München.
Magazin „Damals“ Ausgabe 01 1994