Damals wie heute: „Die Gutmenschen“ – Leserbrief an die „Heilbronner Stimme“ aus dem Jahr 1997

LESERBRIEF an die „Heilbronner Stimme“

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(Bildquelle: Wilhelmine Wulff / pixelio.de)

Es ist schon bezeichnend für die schreibende Zunft dieser Tage, wenn selbsternannte “Gutmenschen“ Vorurteile anprangern und bei ihrer Argumentationssimulation nichts anderes als ebensolche nicht weiter begründeten Plattituden zu bieten haben – so geschehen bei der Berichterstattung der HSt zum Parteitag der Front National in Straßburg.

Nicht eine Zeile wird den Beweggründen der programmatischen Forderungen der Front National gewidmet – allein die Anwesenheit der “Crème de la crème der französichen Linken“ scheint den Autoren Beleg genug dafür zu sein, die rechtsgerichtete Bewegung pauschal als rechtsextrem zu verunglimpfen. Damit begeben sich die HSt-Autoren auf das Niveau der innenpolitischen Gegner der FN – es ist ja auch einfacher Le Pen ‘den Krieg zu erklären’ als konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit und der Massenzuwanderung zu ergreifen.

Der Grund für die Forderung der FN nach einem Einwanderungsstopp sowie nach einer Verschärfung der Aufenthaltsbestimmungen liegt aber dennoch auf der Hand: Europa hat insgesamt abgewirtschaftet und offeriert u.a. im Zuge der Globalisierung immer weniger Arbeitsplätze im eigenen Territorium. Augenscheinlich bedarf es eines gigantischen propagandistischen Aufwandes, um den kausalen Zusammenhang zwischen der Verschärfung der Situation am Arbeitsmarkt und der Migration nach Europa dem öffentlichen Diskurs zu entziehen.

Wie heißt es doch so schön auf Seite 2: “[..] es wurde gesungen und getanzt, und am Straßenrand und einzelnen Plätzen verkauften Händler Brötchen und Gegrilltes“. Mit einer diffusen Mischung aus panem et circenses in neuzeitlicher Ausprägung – Randale hier, Kebap-Buden dort – soll davon abgelenkt werden, dass derzeit der bürgerlichen Beschaulichkeit das Totenglöcklein geläutet wird. Der Sozialstaat bisheriger Prägung ist am Ende, das innergemeinschaftliche Verteilen ausgereizt, das Teilen mit Fremden von nun an der Tagesordnung, die Verteilungskämpfe vorprogrammiert.

Heilbronn, den 1.4.1997
Michael Dangel
74081 Heilbronn
Tel./Fax: 07131/507009

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