Wikinger als Gründer der heutigen Ukraine
Aufgrund des blutigen Ukraine-Konfliktes werden immer häufiger die auch von Präsident Vladimir Putin als gegeben vorausgesetzten russischen Wurzeln der Ukraine thematisiert. Was ist dran an den russischen Wurzeln der Ukraine oder liegt nur ein propagandistischer Mythos der russischen Aggressoren vor?
Die gesamte Region, die wir heute als die Ukraine kennen, war im frühen Mittelalter das Staatsgebiet des von schwedischen Wikingern begründeten Großfürstentums Kiew. In den Jahren um 850 n. Chr. zogen die schwedischen Wikinger, auch Waräger genannt, mit ihren Drachenbooten, also den typischen Wikingerschiffen, über das Fluss-System von Düna, Wolga, Dnjepr und Don hinunter bis ins Schwarze Meer und überzogen von dort aus die Gebiete des oströmischen Reiches mit Plünderung und Krieg. Im Jahre 860 belagerten sie zwischenzeitig sogar Konstantinopel, damals die am stärksten befestigte Stadt der Welt: seit der Vernichtung des Ostgotenreiches – sie waren enge Freunde und Verwandte der Waräger – durch das oströmische Reich, herrschte seit dem 6. Jahrhundert quasi Krieg als Dauerzustand. Die Wikinger hatten in diesen Jahren ständig bis zu 100 Drachenboote und mehr im Mittelmeer im Einsatz und eroberten dann um 1000 n. Chr. auch Sizilien.
Für den langen Anmarschweg über die Flüsse des Ostens, brauchten die Nordmänner natürlich auch Stützpunkte und Versorgungsstationen. Das führte dazu, dass sie längs dieser Strecke befestigte Stützpunkte errichteten (vor allem auch an solchen Stellen, wo die Boote zwischen zwei Flüssen über Land geschleppt werden mussten), um ihre Marschrouten zu sichern. Gleichzeitig schlossen sie dabei mit den örtlichen Stämmen (vielfach kleinere ostgermanische Gruppen, aber auch Balten, Tschuden (Turktataren) und Polanen – die Vorfahren der Polen -) Verträge, damit diese sie mit Lebensmitteln und Holz belieferten; das waren dann auch die ersten Anfänge ihres eigenen Reiches im Osten!
Die Waräger als Namensgeber Russlands
Der Anführer dieser Wikinger war Fürst „Rurik der Rote“ (auch Rjurik oder Rorik: er hatte einen flammend roten Vollbart). Er errichtete um etwa 865 beim heutigen Nowgorod den Stützpunkt Holmgard (Stadt, eher Festung, auf dem Hügel), von wo aus er dann die gesamte Region bis hinunter ans Schwarze Meer nach und nach unter seine Kontrolle brachte (das heutige Nowgorod ist davon die Nachfolgerin, auf Deutsch heißt es nichts anderes als „die neue Stadt“).
Die einheimischen Stämme nannten die Waräger schon sehr bald die „Russ“ oder „Rutosi“. Diese Bezeichnung kommt höchstwahrscheinlich von den langen Ruderreihen der Wikingerboote ,wenn sie auf den Flüssen unterwegs waren (also auf gut Deutsch: „die Ruderer“). Hiervon stammt der heutige Name Russland (also: „das Land der Ruderer“). Die Herrschaft von „Rurik dem Roten“ über die örtlichen Völkerschaften erfolgte dabei zumeist auf friedlichem Wege. Viele der kleinen Stämme, mit denen die Wikinger Handel trieben, unterwarfen sich nämlich freiwillig, weil sie sich von den militärisch potenten Wikingern mehr Schutz gegen die asiatischen Plünderhorden erhofften!
Um 882 n.Chr. eroberten Ruriks Krieger die heutige Stadt Kiew, bis dahin eine Festung des konkurrierenden Wikingerfürsten Askold. Dieser hatte sich nämlich mit Rurik verkracht, weil er von dessen Schiffen, die ja auf dem Weg von und zum Schwarzen Meer alle an Kiew vorbei mussten, kräftig Zoll verlangte. Der Name von Kiew bedeutet im Grunde nichts Weiteres als Stadt und dürfte von der Bezeichnung „Ruriks Städtchen“ (Rjurikowo) wie die Einheimischen den Ort lange nannten, abstammen. Die Polen behaupten heute, dass sie die eigentlichen Gründer von Kiew wären. Ich halte das für eine Latrinenparole! Zu dieser Zeit saßen die polanischen Vorfahren der Polen nämlich weiter im Westen, in der Gegend des späteren Lembergs (heute Lwiw in der West-Ukraine).
Das Warägerreich der Kiewer Russ
Die Polanen waren vielmehr den Wikingern tributpflichtig und bekamen, wenn sie frech wurden, eher ‚eins auf die Gosche‘, als dass sie in deren Einflussbereich Ortschaften gründen konnten. Von Kiew aus aber erfolgte nun die Gründung des Waräger Reiches.
Die von Rurik begründete Dynastie beherrschte Russland noch bis in das 16. Jahrhundert. Man sprach hier auch von der Rurikiden-Dynastie. Noch der legendäre, grausame Zar „Iwan der Schreckliche“ war ein Rurikide (erst nach seinem Tod herrschten dann die Romanows).
Damals nannte man Kiew auch „die Mutter aller russischen Städte“. Der Name sagte ja wohl schon alles!
Moskau wurde erst nach dem Mongolensturm im 11. Jahrhundert russischer Regierungssitz. Bis dahin war immer Kiew die Hauptstadt des Warägerreiches. Die Oberschicht der Russen sprach noch bis ins 12. Jahrhundert hinein nur Schwedisch. Es gibt dementsprechende Zeugenaussagen vom Hofe des fränkischen Kaisers Ludwig des Deutschen und seiner ottonischen Nachfolger, wonach die Diplomaten der Russen in Deutschland schwedisch sprachen.
Auf den Mogolensturm formierten sich die Kosaken
Im schon erwähnten Mongolensturm der „Goldenen Horde“ (im Wesentlichen das Reich der Erben von Dschingis Kahn) wurde die Ukraine (was eigentlich nichts weiter als Grenzland bedeutet) im 11. Jahrhundert auf das Grausamste ausgeplündert und niedergebrannt. Hunderttausende wurden damals von den Asiaten ermordet und die wenigen Überlebenden mussten den Mongolen hohe Tribute bezahlen. Kiew stand jetzt unter der ständigen Kontrolle der Mongolen. Die russischen Großfürsten wichen nun in das entlegenere Moskau aus, wo ihnen die Mongolen nicht mehr so intensiv auf die Finger sehen konnten.
In diesen Jahren begann auch der Dauerkrieg russischer Freischärler gegen die Mongolen und ihre tatarischen Verbündeten.
In den endlosen Steppen und Wäldern der Ukraine siedelten sich geflohene russische Leibeigene an, die hier als Trapper und Fallensteller im Verborgenen lebten. Sowohl die Russen (denen sie ja als „entlaufenes Eigentum“ galten) als auch die Mongolen waren nicht gerade ihre Freunde. Diese Gruppen organisierten sich nun in den ersten Kosakenbruderschaften (das Wort ‚Kosake‘ kommt aus dem Tatarischen und bedeutet: „Freier Krieger“) und gingen mehr und mehr dazu über, die Tatarengebiete am Asowschen und am Schwarzen Meer zu überfallen und auszuplündern.
Unter der Beute der Kosaken befanden sich damals auch viele tscherkessische (ein Tatarenvolk) Frauen, die damals auch für ihre Schönheit berühmt waren. Auf diese Weise versorgten sich die bislang reinen Männergesellschaften mit Ehepartnerinnen und ein neues Volk entstand.
Es gibt übrigens auch Hinweise darauf, dass unter den Kosaken auch Reste einiger deutscher Söldnergruppen gewesen waren, die sich nach ihrer Entlassung aus den Diensten der Ordensritter den Bruderschaften angeschlossen hatten!
Nach und nach gelang es den Kosaken nun zwar, das freie Feld der Ukraine unter ihre Kontrolle zu bringen, größere Städte wie Kiew aber blieben in der Hand der Russen und leisteten auch noch recht lange Tribut an die ‚Goldene Horde‘.
Litauischer Großfürst Algirdas befreite die heutige Ukraine von den Tartaren
Erst im Jahre 1362 änderte sich die Lage nachhaltig. Der litauische Großfürst Algirdas (also ein Balte) schlug in einem erfolgreichen Feldzug die Mongolen und ihre tatarischen Verbündeten vernichtend. Die früher nahezu unbesiegbare ‚Goldene Horde‘ war nach 400 Jahren Dauerkrieg zum einen ziemlich ausgeblutet, zum anderen taten die unterdessen verstärkt aufkommenden Feuerwaffen ein Übriges. Der frühere, große Vorteil der Beweglichkeit ihrer berittenen Bogenschützen war Geschichte!
Großfürst Algirdas dehnte seinen Einflussbereich jetzt über die gesamte Ukraine aus. Während er dabei die vormals russischen Städte direkt übernahm, hielt er mit den Kosakenbruderschaften zunächst Frieden. Man ignorierte sich mehr oder weniger gegenseitig und man hatte mit den Tataren natürlich auch einen gemeinsamen Feind!
Kosakenaufstand zieht seine blutige Spur
Im Jahre 1377 beerbte Großfürst Jagiello seinen Vater und wurde der neue Führer der Litauer. Das Jahr 1384 brachte dann große Veränderungen. Jagiello trat zum katholischen Glauben über und heiratete die junge polnische Königin Jadwiga. Damit wurde er auch König von Polen und die beiden Reiche wurden dann 1385 vereint (die sogenannte Union von Krewo). Das neue großpolnische Reich wurde zur größten Territorialmacht Europas. Seine Grenzen reichten von der Weichsel bis an die Wolga und von der Ostsee bis an das Schwarze Meer. Konnte dieses Reich sich zunächst auch noch gut behaupten, machten dann Jagiellos Nachkommen zunehmend nicht wiedergutzumachende Fehler, die das Reich langfristig aushöhlten. Am Schlimmsten aber wurde es unter Johann II. Kasimir. Er versuchte, die russisch-orthodoxen Kosakenbruderschaften an die Leine zu legen, ihnen ihre Autonomie zu nehmen und sie auch noch zwangsweise zum Katholizismus zu bekehren.
Die Folge davon war der große Kosakenaufstand von 1648. Unter ihren berühmt gewordenen Anführer Bohdan Chmelnezkyj, dem realen Vorbild für die bekannte Romanfigur des „Taras Bulba“, legten die aufgebrachten Steppenkrieger halb Osteuropa in Schutt und Asche. Sie schlugen die polnisch-litauischen Armeen,wo immer man auf sie traf. Nach vorsichtigen Schätzungen starben in diesem Konflikt mehr als 250.000 Menschen, darunter allein 48.000 Juden. Letztere hatten sich den besonderen Hass der Kosaken und auch der normalen Landbevölkerung zugezogen, da sie – als die Beauftragten der polnischen Grundbesitzer – seit vielen Jahren die großen Getreideernten des Landes vermarkteten und dabei wohl auch manches Mal zu sehr auf ihren persönlichen Vorteil bedacht gewesen waren.
Ukrainische Kosaken unterwerfen sich 1654 dem russischen Zaren
Am 18.01.1654 kam es dann zu einem geschichtlichen Ereignis von großer Bedeutung. In einem „Eid von Perejaslaw“ genannten Vertrag trugen die ukrainischen Kosaken dem russischen Zaren die Patronatsherrschaft, also die Schutzherrschaft, über die Kosaken an!
Gegen Militärdienste gewährte der Zar den Kosaken Selbstverwaltung und Steuerbefreiung, wofür er sie dann in sein Reich übernehmen konnte!
Damit wurde die Ukraine (was eigentlich nichts weiter als „Grenzland“ bedeutet) wieder russisch (die Bevölkerung in den Städten war es ja sowieso). Nun griffen auch reguläre russische Truppenverbände auf Seiten der Kosaken in den Aufstand ein. Damit war Polen aus dem Spiel. In den nordischen Kriegen wurde die gesamte Ukraine wieder russisch!
Die Beziehungen der Ukraine zu Russland blieben auch in der restlichen Zarenzeit immer an das russische Herrscherhaus gebunden. Die großen Städte waren zwar auch damals schon russisch, aber das flache Land mit den Dörfern der Kosaken blieb bis zur Oktoberrevolution immer ein autonomes Gebiet innerhalb des russischen Reiches. Die kampfkräftigen Kosakenverbände bildeten dabei immer wieder das Rückgrat des russischen Heeres. Zeitweise war die Ukraine dann auch ein Großfürstentum unter der Regentschaft des russischen Thronfolgers (also so ähnlich wie dies die Engländer mit ihren „Prinzen von Wales“ machen).
Kurze Selbständigkeit der Ukraine 1917 von Gnaden des Deutschen Reiches
Die spätere Selbständigkeit der Ukraine nach dem ersten Weltkrieg erfolgte 1917 als eine Maßnahme der obersten deutschen Heeresleitung, weil man zwischen dem neuen kommunistischen Russland Lenins und Deutschland eine Pufferzone haben wollte!
Schon im Januar 1919 endete die Selbständigkeit der Ukraine wieder, als Lenins Revolutionstruppen in Kiew einmarschierten. Eine eigenständige ukrainische Nation hat es also bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 nie gegeben. Diese war in ihrer Form ab 1917 mehr eine Erfindung des deutschen Generalstabes gewesen, als er 1917/18 versuchte, den schon erwähnten Pufferstaat zu etablieren (was interessanterweise auch viele Polen und Russen heute so sehen). Unter Lenin wurde die Ukraine dann eine halbautonome Sowjetrepublik.
Erst Stalin hatte dann den (unfreiwilligen) Verdienst, einen eigenständigen ukrainischen Nationalismus entwickelt zu haben. Als er ab 1928 in der Sowjetunion mit der Zwangs-Kollektivierung der Landwirtschaft begann, erklärte er die Groß- und Mittelbauern (die „Kulaken“) zu einer feindlichen Bevölkerungsgruppe, von der man das Land säubern müsste (Stalin sagte wörtlich „Entkulakisieren“). Er ließ vor allem den Bauern in der Ukraine (aber nicht nur dort) auch noch das Saatgetreide wegnehmen und setzte sie zugleich unter einen erhöhten Ablieferungsdruck. Damals starben allein in der Ukraine gut 6.000.000 Menschen an Hunger (in der russisch/ukrainischen Geschichte spricht man auch vom ‚Holodomor‘: Tod durch Hunger)!
Als dann im zweiten Weltkrieg die deutsche Wehrmacht hier einmarschierte, wurde sie von den Ukrainern fast überall als Befreier begrüßt (das änderte sich dann aber sehr schnell, als wenig später SS und SD die Kontrolle des Landes übernahmen). Damit ist definitiv der heute zu beobachtende ukrainische Nationalismus in erster Linie selbstgemachtes Leid der Russen!
Ukraine meist unter russischer oder polnischer Herrschaft
Die Westukraine um Lemberg (Lwiw), also das klassische Galizien, war immer polnisch (zwischendurch österreichisch), wurde aber im zweiten Weltkrieg von Stalin, als Folge des Hitler-Stalinpaktes, einkassiert (bis heute sind Lemberg und Galizien das einzige Gebiet in Osteuropa mit einer klaren katholischen Bevölkerungsmehrheit).
Polen selber war zwischen 1815 und 1916 ebenfalls eine russische Provinz. Zar Alexander der I. hatte es seinerzeit auf dem Wiener Kongress als Kriegsbeute übernommen (die Polen bekamen da auch ihren „Lohn“ dafür, dass sie die wohl treuesten Anhänger Napoleons gewesen waren). Polen wurde dann erst nach 1916 wieder selbständig, als Folge der Befreiung des Landes durch die kaiserliche deutsche Armee (als Dank dafür haben sie uns dann nach dem ersten Weltkrieg, mit Hilfe der Engländer und der Franzosen, unsere alten Ostprovinzen geklaut und nach dem zweiten Weltkrieg ein weiteres Mal)!
Die Lesart von der germanischen Herkunft Russlands und der Ukraine, die aber dem heutigen Stand der Forschun entspricht, war unter Stalin bei Todesstrafe verboten. Er bestand darauf, dass es die Slawen waren, die das alles gegründet hätten (Manche Forschungen gehen mittlerweile davon aus, dass die Slawen gar keine Slawen, sondern Ostgermanen gewesen sind).
Eine interessante Aussage dazu gibt es vom heutigen deutschen Historiker Manfred Hildermeier (Jahrgang 1948) von der Universität Göttingen: „Der Widerspruch, der seit dem 18. Jahrhundert gegen die Normannenthese erhoben wurde, darf als endgültig widerlegt und das Produkt nationalen Wunschdenkens gelten!“.
Mit anderen Worten: Kiews russische Wurzeln sind ein verlogener Mythos. „Das hat viel mit nationalistischer und stalinistischer Geschichtsklitterung zu tun.“
Quellen:
Wikipedia (mehrfach)
Nestorchronik von 1118 (online)
„Die Geschichte der Kosaken“ von Klaus J. Gröper.
„Weltgeschichte in Daten“ R&M Graubner
Bertelsmann Lexikon