Ist das ein besonderer Krieg? Eine „Zeitenwende“?

Der bunte Kanzler schwafelt von Zeitenwende! Keine Spur! Es ist ’nur‘ Krieg! (Bildq.: gremlin/gettyimages)

Zeitenwende! Das ist ein gewaltiges Wort! Das steht für etwas, das seit Menschengedenken nicht vorgekommen ist. Für etwas, was derart bedeutsam ist, daß es alle Lebensumstände umkrempelt. Und das trifft auf den NATO-Russland-Krieg in der Ukraine nun ganz gewiß nicht zu. Es handelt sich um einen ganz normalen Krieg, einen Krieg, wie viele andere auch.

„Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ (Carl von Clausewitz)

Krieg ist in jedem Fall etwas Furchtbares. In jedem Fall handelt es sich darum, um politischer Ziele willen Menschen totzuschießen und Eigentum zu zerstören. Deshalb greifen die Staaten gemeinhin nur dann zu diesem Instrument, wenn sie die politischen Ziele für überragend wichtig oder gar für eine Frage der Existenz ansehen. Denn der Krieg gefährdet stets auch die Existenz des Angreifers.

Der Ukrainekrieg zeichnet sich nicht wirklich durch irgend eine „Einzigartigkeit“ aus.

Vorwurf der Kriegsverbrechen: ein ‚alter Hut‘

Der Krieg wird in Europa geführt, aber das traf auch auf den Jugoslawien-Feldzug durch die NATO 1999 zu, an dem auch die BRD kriegführend beteiligt war. Es war auch damals ein Grüner, der Außenminister J. Fischer, der einen zögernden Kanzler in den Krieg drängte. Die USA setzten in diesem Krieg Uranwaffen ein. Dies definiert ein Kriegsverbrechen, denn die Verstrahlung schädigt die Zivilbevölkerung schwer, kumulativ, und für einen nahezu unendlich langen Zeitraum.

Auch im gegenwärtigen Krieg bemüht die Propaganda den Vorwurf des Kriegsverbrechens. Allerdings urteilt die UNO, beide Seiten hätten sich diesbezüglich schuldig gemacht. Man braucht nicht bis zu Nemmersdorf, Dresden, Katyn zurückzugreifen, die restlose Tötung der wehrlos aus Kuwait flüchtenden irakischen Truppen, der Überfall auf Afghanistan, Abu Ghraib und Guantanamo liegen uns näher.

Auch dieser Aspekt macht den NATO-Russland-Krieg nicht zu einem Sonderfall.

Das erste Opfer eines Krieges ist die Wahrheit (Hiram Johnson)

Bei Darstellungen über den Kriegsverlauf läßt man besser Skepsis walten, auch wenn die Propaganda vom Kanzler kommt oder vom Präsidenten. Es ist wie in jedem Krieg: Je nachdem, wem man zuhört, ist der eine das blutrünstige Monster oder der andere. Zeitenwende? War denn vor 2022 der „Ewige Frieden“ ausgebrochen? Noch während der Abnützungskrieg durch NATO-Waffen die Macht Russlands zermahlen soll, bombardiert Israel Damaskus und Gaza, die Türkei läßt in Syrien erobern, Aserbeidschan und Armenien fallen übereinander her, im Jemen tobt ein entsetzlicher Stellvertreterkrieg, USA und S.-Arabien contra Iran und Jemen. Und die USA versuchen wieder einmal, diesmal in Georgien, eine rechtmäßige Regierung widerrechtlich aus dem Amt zu putschen.

Auch von der Art der Kriegführung her verläuft dieser Krieg kaum anders als jeder andere. Allerdings ist bemerkenswert, daß Russland den Einmarsch unter rücksichtsvoller Schonung der Zivilbevölkerung durchführte, jedenfalls in den ersten Kriegsmonaten. Vergleicht man dieses Vorgehen mit der großflächigen Vernichtung Bagdads im US-Krieg gegen Saddam Hussein, oder mit der militärisch sinnlosen, restlosen Auslöschung der aus Kuweit abziehenden Iraker, so gewinnt Russlands These vom „Bruderkrieg“ an Glaubwürdigkeit, gegenüber den Behauptungen der US-Propaganda vom „Völkermord“. Immerhin hat Russland mehrere Millionen ukrainischer Kriegsflüchtlinge aufgenommen.

Angriffskrieg: Vormals das Deutsche Reich, heute Rußland

Wenn in den Medien vom Ukrainekrieg die Rede ist, heißt es in endloser Wiederholung, es handle sich um Russlands „Angriffskrieg“. Die Partei des ersten Schusses muß aber keineswegs mit dem Kriegsverursacher identisch sein. Martin. van Crefeld: „Wer den ersten Schuß abgegeben hat, das ist völlig irrelevant. Es kommt darauf an, was dem ersten Schuß vorausgegangen ist !“. Die Vorgeschichte des Konfliktes reicht zurück bis zur Überlassung der Krim an die ukrainische SSR; zurück bis zur Erklärung der Selbständigkeit, bis zu den Interventionen der USA 2004 und 2014 mit dem Ziel, eine „prowestliche“ Regierung zu etablieren. Immerhin hat Frau Nuland erklärt, die USA hätten sich diese Interventionen fünf Milliarden Dollar kosten lassen, alleine bis 2014. Die Kosten der US-Aufrüstung der Ukraine mit Hilfe der Balten und der Polen und mit Hilfe des „Minsk-Tricks“ können nur geschätzt werden. Merkel hat den Trick bestätigt.

Eigentlich kennt das Völkerrecht den Begriff der „Kriegsschuld“ nicht. Ein souveräner Staat hat das Recht zum Krieg. Dennoch versuchen stets beide Kriegsparteien, plausibel zu machen, daß ihnen leider gar kein anderer Ausweg verblieben sei als das Kriegführen. Ein Völkerrechtsdelikt liegt beim Ukrainekrieg nur deshalb vor, weil die UNO-Regeln die Mandatierung durch den Sicherheitsrat vorsehen. Im NATO-Krieg gegen Jugoslawien lag jedoch ebenfalls kein UNO-Mandat vor. Noch gravierender war die Ankündigung der USA, in Zukunft werde Amerika auf ein solches Mandat verzichten, die NATO werde sich „selbst mandatieren“! Kann sich ein NATO-Staat danach noch auf jene UNO-Regel berufen?

Größter Aggressor der Menschheitsgeschichte: Die USA

Als besonders kreativ beim Formulieren von Kriegsgründen sind von je her die USA aufgetreten. In jedem ihrer Kriege mußten sie irgendwen „beschützen“ oder erretten, oder Krieg führen, um „den Terror zu bekämpfen“, „demokratische Verhältnisse“ zu oktroyieren. Allerdings haben nur wenige den Geschichten von den „Massenvernichtungswaffen“ und den „Brutkasten-Greueln“ Glauben geschenkt; über Pearl Harbor oder den „Tonking-Zwischenfall“ besteht auch längst Klarheit.

Putin erklärt, die Rettung der Russischsprachigen im Osten der Ukraine, in der Mehrzahl mit russischer Staatsbürgerschaft, vor den tödlichen Angriffen mit Panzern und Artillerie Kiews wäre zuletzt nicht anders zu bewerkstelligen gewesen als durch die russische Intervention („Responsibility to Protect“). Minsk-I und -II ist ja von Kiew (und vom Westen) sabotiert worden. Darüber hinaus entspreche die Intervention Russlands der UNO-Doktrin vom erlaubten Verteidigungskrieg. Die bereits erfolgte Aufstellung von Kernwaffenträgern unweit der Staatsgrenzen habe die Existenz Russlands schwerstens bedroht. Die NATO sei um einen halben Erdteil an Russland herangerückt, weiteres Vordringen sei nun endgültig existenzgefährdend, zumal die Abrüstungsverträge gekündigt worden seien. Bereits in der Ära Jelzin hat der Westen versucht, seine Hand auf Russlands Rohstoffe zu legen; die Ankündigungen der USA, Russland müsse „zergliedert“ werden, haben seither kein Ende gefunden.

Unaufhörliche NATO-Ausdehnung seit 1990

Und Russland hat wahrhaftig bereits seit 1990 unaufhörlich gewarnt und nach Lösungen gesucht; Putin selbst hat vorgeschlagen, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, vorausgesetzt, dieser Maßnahme gehe eine Vereinbarung mit den USA voraus, die Ukraine zu einer friedlichen Brücke zwischen Ost und West zu machen. Hunderte Experten und Politiker haben in Analysen auf die Gefährdung des Friedens durch das Vorpreschen der NATO hingewiesen. Noch Tage vor dem Krieg hat Putin Verhandlungen angeboten. Wollten die Lenker der USA etwa den Krieg? Oder hat Russland willkürlich die Befehle zur Intervention gegeben, leichtfertig, überfallsartig und mit imperialistischen Zielen?

Der Kriegswille der USA ist nicht der Kriegswille der Amerikaner. Familien wollen immer Frieden, und da unterscheiden sich Russen, Ukrainer und Angehörige europäischer Völker nicht. Nutznießer der Kriege, „Kriegsgewinnler“, sind die in den USA außerordentlich rmächtigen Konzerne, die Flugzeuge, Raketen und Panzer herstellen, sowie deren Sachwalter. Bereits nach dem WKI erkannten die Menschen diesen Zusammenhang und konsequent nahm das Parteiprogramm der Nachkriegspartei NSdAP darauf Bezug: Nach dem WKII, noch lange vor Beendigung des Kriegszustandes führten die siegreichen USA ein prozeßähnliches Strafverfahren gegen die deutschen Militärs und Politiker. Der US-Hauptankläger in diesem Militärtribunal, Robert H. Jackson, zitierte die entsprechende Passage aus dem NSDAP-Programm (Punkt 12):

„Im Hinblick auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut, die jeder Krieg vom Volke fordert, muss die persönliche Bereicherung durch den Krieg als Verbrechen am Volke bezeichnet werden. Wir fordern daher restlose Einziehung aller Kriegsgewinne.“

Dann fügte Jackson seine eigene Meinung hinzu. „Ich kritisiere diese Politik nicht. In der Tat, ich wünschte, dass diese Politik universelle Gültigkeit hätte.“ (Eröffnungsrede von Hauptankläger Robert H. Jackson, in Nürnberg am 21.11.1945).