Vor 125 Jahren starb Friedrich Nietzsche: War Friedrich Nietzsche der erste Libertäre?

Nietzsche der Staatskritiker: War er der erste Libertäre? (Bildmontage: WIR)

Geistige Höhenflüge und ein tiefer Fall

Am 25. August 1900 verstarb Friedrich Nietzsche in Weimar an Pneumonie und einem weiteren Schlaganfall. Seine Krankheitsgeschichte war lang und bitter. Zeitlebens war er gesundheitlich angeschlagen, weswegen er auch 1879 nach zehn Jahren seine Professur an der Universität Basel aufgeben und fortan als freier Philosoph seinen Lebensunterhalt bestreiten musste.

Nach vielen Reisen in Gefilde mit Ruhe und gesunder Luft, unter anderem in Sils-Maria, wo er seinen „Zarathustra“ verfasste, erlitt er am 3. Januar 1889 in Turin einen geistigen Zusammenbruch und lebte fortan bis zu seinem Tod in geistiger Umnachtung. Damit fand das Leben eines der brillantesten Denker deutscher Zunge ein trauriges Ende.

Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet“

In seiner verbalen Brachialität bringt Nietzsche das weltberühmte Zitat in der 1882 erschienenen Erstfassung seines Werkes: „Die fröhliche Wissenschaft“, zu Papier. Zu diesem Zeitpunkt war er schon fast erblindet und konnte seine Werke nur mithilfe seiner Schwester Elisabeth zur Veröffentlichung bringen. Ursprünglich in vier Bücher gegliedert thematisiert Nietzsche im dritten Buch der ‘Wissenschaft‘ im Abschnitt 108 erstmals in seinen Werken den Tod Gottes.

Im Abschnitt 125 des dritten Buches unter dem Titel: „Der tolle Mensch“, schließlich lässt Nietzsche einen Verrückten das ‘Zitat der Zitate‘ aussprechen. Am hellichten Vormittag auf dem Marktplatz schreit der Tolle, nachdem er zunächst eine Laterne angezündet hat, unaufhörlich: „Ich suche Gott! Ich suche Gott!“.

Als die anderen Personen dies hörten, die längst den Glauben an Gott verloren hatten, wurde der „tolle Mensch“ höhnisch ausgelacht. Der Verrückte antwortete sich daraufhin verzweifelt selbst: „Wohin ist Gott?“ rief er, „ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder!“ Erst einige Zeilen später folgt dann das epochale Zitat, das er den Verrückten aussprechen lässt: „Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet!“

In Nietzsches bekanntestem Werk: „Also sprach Zarathutra“, klingt das bekannte Zitat ebenso in den „Vorreden“ an, als sein Alter-Ego Zarathustra nach zehn Jahren in der Einsamkeit einem alten Greis begegnet, der ihm von seiner Liebe zu Gott berichtet. Als die beiden auseinandergehen spricht Zaratustra zu sich: „Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch Nichts davon gehört, dass Gott tot ist.“

Nietzsches Staatskritik in: „Also sprach Zarathustra“

Ebenfalls in den „Vorreden Zarathustras“ übt Nietzsche im Kapitel: „Vom neuen Götzen“, fundamentale Staatskritik. Hier lässt Nietzsche sein Alter-Ego das insbesondere in libertären Kreisen beliebte Zitat aussprechen:

„Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt – und was er auch hat, gestohlen hat er‘s.“

In seiner für ihn typischen Art des Philosophierens mit dem Hammer drischt er erbarmungslos auf die Institution Staat ein. Der Staat sei an die Stelle der Völker getreten und maßt sich an: „Ich, der Staat, bin das Volk.“

Aber Nietzsches Staatskritik wird noch radikaler. In völliger Verwerfung der Staatsvergottung durch die Deutschen als verspätete Nation, unterstellt er dem Staat selbst, für sich zu beanspruchen, der neue Götze zu sein, der an die Stelle Gottes treten will, der bekanntlich tot ist.

„Auf der Erde ist nichts Größeres als ich: der ordnende Finger bin ich Gottes.“

In diesen Wortwiedergaben klingt der kompromisslose Individualismus Nietzsches ebenso durch wie die Ablehnung jeder Art von Kollektivismus. Ist Nietzsche in Anbetracht solch massiver Staatskritik und Betonung des Individualismus so etwas wie der erste Libertäre?

Nietzsches Marktkritik: „Von den Fliegen des Marktes“

Diese oben angeklungene libertäre Option reißt Nietzsche an vielen anderen Stellen ein, da ihm das Ökonomische und jedes Kümmern um Belanglosigkeiten wie den eigenen Lebensunterhalt stets zuwider war. Er war zeitlebens Künstler – und nicht nur insofern nicht von dieser Welt.

Bereits ein Kapitel nach: „Vom neuen Götzen“, bringt der große Philosoph seine Abneigung gegen den Markt, das dort vorherrschende Marktschreierische und das Getue der vermeintlich großen Männer zum Ausdruck. „Voll von feierlichen Possenreißern ist der Markt – und das Volk rühmt sich seiner großen Männer. Das sind ihm die Herrn der Stunde.” Nietzsche zog es zur Einsamkeit, die Tiefe habe, und weg vom Markt der „Viel zu Vielen“.

Wahrlich: Mit (ökonomischem) Haushalten und den umtriebigen Krämerseelen, die sich auf dem Markt tummeln, hatte Friedrich Nietzsche zeitlebens nichts am Hut. Das Zitat freilich ist und bleibt unübertrefflich:

„Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt – und was er auch hat, gestohlen hat er‘s.“

Mit diesem und vielen anderen Zitaten bleibt Nietzsche wahrhaft unsterblich!